Technischer Hintergrund

Unterschiedliche Inspektions- und Bildverarbeitungsaufgaben setzen unterschiedliche Bilderfassungssysteme voraus, die vereinfacht gesagt aus Beleuchtung, Optik, Kamera und PC bestehen. Jede dieser Komponenten verfügt über spezielle Eigenschaften, die sich entscheidend auf den Erfüllungsgrad der gestellten Aufgabe auswirken. Bei der Kamera denkt man hier unwillkürlich zuerst an Auflösung, Bildrate und eventuell noch an die Schnittstelle zur Datenübertragung an den PC.

Doch auch eine weniger „offensichtliche“ Eigenschaft muss bei der Kameraauswahl bedacht werden: das Belichtungsverfahren (engl. Shutter). Dabei wird zwischen Global Shutter einerseits und Rolling Shutter auf der anderen Seite unterschieden.

Im Vergleich zum Global Shutter ist die Ausleseelektronik beim Rolling Shutter kostengünstiger, weil sie weniger komplex ist. Weiterhin entsteht durch eine geringere Anzahl von Transistoren weniger Wärme und damit weniger Elektronikrauschen. Ein weiterer Vorteil ist der geringere Pixel Pitch und damit die höhere Auflösung pro Sensorfläche.

 


Shutter

Vergleichbar mit den mechanischen Verschlüssen verschiedenster filmbasierter Kameras regeln beide vollelektronische Shutter die Belichtungszeit und damit die Lichtmenge, die im Inneren des Sensors – in den Pixeln – in Elektronen umgewandelt wird.

Aufgrund der unterschiedlichen Pixelarchitekturen, die mit dem jeweiligen Belichtungsverfahren einhergehen, bestimmt der Verschluss nicht nur, wie lange Elektronen aus Photonen generiert werden, sondern auch wie das geschieht.

Die Pixel eines Sensors sind – solange die Kamera mit Strom versorgt wird – permanent aktiv. Licht wird also fortlaufend „eingefangen“, es erfolgt lediglich keine Ladungsträgerakkumulation. Generierte Elektronen werden also immer wieder verworfen. Mit dem Start der Belichtungszeit wird dieses Löschen der Pixel gestoppt. Die Akkumulation von Elektronen beginnt. Im Anschluss an die Belichtungszeit werden die Pixel ausgelesen.

Bis hierhin verhalten sich Sensoren beider Belichtungsverfahren gleich – die Unterschiede stecken im Detail.

 

Global Shutter

Übertragen auf die bereits angesprochene, filmbasierte Kamera lässt sich der Global Shutter am besten mit dem Zentralverschluss einer Fotokamera vergleichen. Dieser ähnelt mit seinem irisartigen Aufbau der Blende von Objektiven und ist wahrscheinlich genau das, was man vor seinem geistigen Auge sieht, wenn man an einen Kameraverschluss denkt.

VT_Lens_shutter_in_analog_film_cameras_2.png
Zentralverschluss einer Fotokamera

Aufgabe dieses Verschlusses ist es, sich beim Druck auf den Auslöser blitzschnell zu öffnen und nach Ende der Belichtungszeit wieder zu schliessen. Zwischen dem Öffnen und Schliessen wird dabei die gesamte, für ein Bild genutzte Fläche des Films auf einen Schlag belichtet. 

Bei Sensoren mit Global Shutter verhält es sich ähnlich: die Ladungsträgerakkumulation beginnt hier für alle Pixel – also global – zur gleichen Zeit. Entsprechendes gilt für das Ende der Belichtungszeit, sowie den Auslesevorgang.

VT_Global_shutter.png
Global Shutter

Bei der zeitgleichen Belichtung aller Pixel wird die Szene quasi eingefroren, was dazu führt, dass sich dieses Belichtungsverfahren (bei hinreichend kurzen Belichtungszeiten) auch für Aufnahmen von schnell bewegten Objekten eignet.

 

Rolling Shutter

Das Belichtungsverfahren Rolling Shutter ähnelt dem von analogen Filmkameras. Es trägt zum Verständnis bei, sich dessen Funktionsweise vor Augen zu führen und auf das elektronische Pendant zu übertragen. Dort sorgte zumeist ein Umlaufverschluss für die Belichtung und Abschattung des Filmmaterials. 

Ein solcher Umlaufverschluss ist prinzipiell eine kreisrunde Metallscheibe mit einem fehlenden Kreissektor ähnlich folgender Abbildung. Die Scheibe ist dabei auf einer sich drehenden Welle und vor dem Filmmaterial positioniert.

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Umlaufverschluss (Prinzipskizze)

Zur besseren Darstellung ist der Umlaufverschluss in folgender Abbildung halbtransparent skizziert. 

Die Belichtung des Filmsegments beginnt bei (1). Durch die Rotation des Verschlusses (2) wird dem einfallenden Licht nach und nach eine grössere Fläche des Films freigegeben. Nach der vollständigen Öffnung des Verschlusses (3), bei der das komplette Filmsegment belichtet wird, schliesst sich der Verschluss wieder (4) bis zur kompletten Abschattung des Films (5).

VT_Rolling_shutter_1-5.png

Zwar wird auch hier jeder „Bildpunkt“ des Films für eine definierte Zeit belichtet. Dies geschieht aber nicht gleichzeitig, was sich unter Umständen in Verzerrungen bei Aufnahmen von sich schnell bewegenden Objekten bemerkbar macht, weil hier – bei gleicher Belichtungszeit und im Vergleich zum Zentralverschluss – (in Summe wesentlich) mehr Zeit zwischen dem Öffnen des Verschlusses und der damit verbundenen Belichtung der ersten Teilfläche des Films bis zur vollständigen Abschattung vergeht. Zeit, in der sich unter Umständen das beobachtete Objekt weiterbewegt und damit zu Verzerrungen im Bild führt.

VT_Rolling_Shutter.png
Rolling Shutter

Das grundlegende Prinzip des Rolling Shutter besagt, dass Belichtung und Ladungsträgerakkumulation sequenziell – Zeile für Zeile – erfolgen. Wie beim Umlaufverschluss werden zwar alle Bildpunkte gleich lang belichtet, dies erfolgt aber nicht für die Gesamtheit der Bildpunkte gleichzeitig.

Hinweis
Damit sind Kameras mit Rolling Shutter Sensoren nur bedingt für die Inspektion bewegter Objekte geeignet.

 

Rolling Shutter Effekt

Wie bereits erwähnt, kommt es bei Aufnahmen von bewegten Gegenständen vermehrt zu Verzerrungen im Bild. Dieser sogenannte Rolling Shutter Effekt rührt daher, dass sich das Objekt während der zeilenweisen Belichtung weiter bewegt.

Das folgende Timing-Diagramm zeigt, wie sich die Dauer der Bildaufnahme durch das zeilenweise Belichten bei Rolling Shutter im Vergleich zum Global Shutter verlängert. Bei gleicher Objektgeschwindigkeit entstehen so wesentlich stärkere Verzerrungen.

 

VT_Rolling_shutter_effect.png
Rolling Shutter Effekt

Die Stärke der Verzerrungen hängt dabei neben der Belichtungszeit, die durch Objektgeschwindigkeit und verfügbare Lichtmenge bestimmt wird, von der Geschwindigkeit des Sensors bzw. von dessen Ausleseelektronik ab: Bei modernen Sensoren äussert sich der Rolling Shutter Effekt aufgrund der höheren Auslesegeschwindigkeit schwächer als bei älteren Geräten.

 

Lineare Bewegungen
VT_Linear_movement.png
Lineare Bewegung

Wird ein Objekt im Moment der Bildaufnahme linear an der Kamera vorbeigeführt, so äussert sich der Rolling Shutter Effekt in einer horizontalen Verzerrung.

VT_Linear_movement_global_shutter_vs_rolling_shutter.png
Global Shutter im Vergleich zum Rolling Shutter Effekt bei linearer Bewegung

Die nachfolgende Grafik zeigt die Entstehung dieser verzerrten Bildaufnahme: Im jeweils linken Teil ist zu sehen, wie sich – während der zeilenweise ablaufenden Belichtung (hier als orange farbene Linie dargestellt) – das Objekt von links nach rechts bewegt. Der jeweils rechte Teil zeigt die (Bild-) Inhalte der einzelnen Pixel.

VT_Rolling_Shutter_Effect_blur_by_horizontal_object_movement.png
Rolling Shutter Effekt – Entstehung der Bildverzerrung bei horizontaler Objektbewegung
Rotierende Objekte

Dreht sich das Objekt während der Bildaufnahme vor der Kamera, so verwaschen Konturen unter Umständen komplett. Eindrucksvolles Beispiel dafür ist die unten abgebildete Kreisscheibe, die in vier farbige Quadranten unterteilt ist.

VT_Global_shutter_and_rolling_shutter_effect_on_rotating_object.png
Global Shutter im Vergleich zum Rolling Shutter Effekt bei Rotationsbewegung

Die Entstehung der doch recht skurril anmutenden Abbildung des Rolling Shutter Sensors lässt sich grafisch am besten so erklären: die nachfolgende Abbildung zeigt das schrittweise Zusammenspiel zwischen zeilenweiser Belichtung (orangefarbene Linie) und Rotationsbewegung des Objekts auf der linken Seite sowie die resultierenden Pixel-Daten im rechten Teil.

VT_Rolling_shutter_effect_blur_by_rotation.png
Rolling Shutter Effekt – Entstehung der Bildverzerrung bei Rotation
Vermeidung des Rolling Shutter Effekts

Manche Rolling Shutter Sensoren verfügen über eine spezielle Betriebsart: den sogenannten Global Reset. Dabei beginnen – wie beim Global Shutter – alle Pixel gleichzeitig mit der Ladungsträgerakkumulation. Der Auslesevorgang startet aber – Rolling-Shutter-typisch – zeilenweise mit zeitlichem Versatz.

VT_Rolling_shutter_exposure_with_global_reset_feature.png
Rolling shutter exposure with global reset feature

Das führt dazu, dass jede Zeile des Sensors unterschiedlich lang belichtet wird. Im Resultat ist im aufgenommenen Bild ein Helligkeitsverlauf erkennbar.

VT_Brightness_gradient_resulting_from_different_exposure_times_in_rolling_shutter_exposure_with_global.png
Helligkeitsverlauf durch unterschiedlich lange Belichtungszeiten bei Rolling Shutter Sensoren mit Global Reset

Die Betriebsart Global Reset allein ist nicht die Lösung für die Minderung des Rolling Shutter Effekts. Die Belichtungsdauer wird hier nicht verkürzt und die Anfälligkeit für Verzerrungen bei Aufnahmen bewegter Objekte bleibt bestehen.

Abhilfe schafft die Kombination aus der Betriebsart Global Reset, Blitzbeleuchtung und Fremdlichtabschattung.

VT_Flash_used_with_rolling_shutter_sensors_with_global_reset_feature.png
Verwendung einer Blitzbeleuchtung bei Rolling Shutter mit Global Reset

Die Abbildung zeigt das prinzipielle Vorgehen: Mit dem Start und für die Dauer der Belichtungszeit wird auch die Blitzbeleuchtung eingeschaltet. Danach ist darauf zu achten, jegliches Fremdlicht bis zum Ende der Belichtung der letzten Sensorzeile abzuschotten.

Auf diese Weise lässt sich mit einem Rolling Shutter Sensor das Verhalten eines Global Shutter Sensors hinsichtlich der Inspektion bewegter Objekte „simulieren“.

VT_Simulated_global_exposure_and_shading_by_rolling_shutter_sensors_with_global_reset_feature.png
Simulation eines Global Shutters durch Abschattung

Support

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