Wie misst man Kraft?

Bei einer Kraftmessung mit Kraftsensoren wird der Kraftsensor idealerweise so platziert, dass die vollständige Kraft durch den Sensor fliesst und der Kraftsensor sich direkt im Kraftfluss befindet. Wichtig  dabei sind eine zentrische Krafteinleitung und eine ausreichend steife Auflagefläche.

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Wie funktioniert ein Kraftsensor?

Die Verarbeitung der mechanischen Grösse zum elektrischen Signal erfolgt bei DMS basierten Kraftsensoren in drei Schritten. Ausgangspunkt eines jeden Kraftsensors mit DMS ist ein Federkörper, auf dem durch äussere Belastungen Dehnungen an der Materialoberfläche entstehen.
 
Mittels auf der Oberfläche des Federkörpers applizierten Dehnungsmessstreifen wird diese Dehnung abgegriffen. Die DMS wandeln dabei die mechanische Dehnung in eine elektrische Widerstandsänderung um und wirken als mechanisch-elektrischer Konverter. Durch diese Widerstandänderung erzeugen sie eine der Kraft proportionale Spannungsänderung. Mit Hilfe der intelligenten Verschaltung der einzelnen DMS zu einer Wheatstone’schen Messbrücke können so selbst kleinste Dehnungen erfasst werden.
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Entscheidende Vorteile von DMS basierten Kraftsensoren sind:


Federkörper - Mechanical converter

Ausgangspunkt eines jeden Kraftsensors ist der Federkörper, welcher aufgrund einer Krafteinwirkung verformt wird. Entscheidend dabei ist, dass die Verformung rein elastisch ist, was bedeutet, dass die Verformung innerhalb der Elastizitätsgrenze stattfindet und der Federkörper nach der Belastung unter Nulllast wieder seine ursprüngliche Form erreicht.
 
Kraftsensor Material
Baumer Kraftsensoren sind in der Regel aus nichtrostendem Edelstahl (1.4542) mit einer hohen Festigkeit. Für spezielle Anwendungen sind auch Kraftsensoren aus Vergütungsstahl, Aluminium oder anderen metallischen Legierungen möglich.
 
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Auslegung und Dauerfestigkeit
Die Herausforderung beim Design und der Auslegung des Federkörpers liegt in dem Konflikt zwischen einer möglichst weichen Struktur für eine gute Messperformance und einer limitierenden Materialgrenze. Mittels komplexer computergestützter FEM-Simulationen wird der Federkörper auf möglichst hohe Dehnungen innerhalb der Elastizitätsgrenze ausgelegt. Ziel dabei ist eine möglichst homogene Zone zu schaffen, auf die der DMS appliziert werden kann. Mit der anschliessenden Festigkeitsbewertung nach der anerkannten FKM-Richtlinie wird die Dauerfestigkeit der Kraftsensoren gewährleistet. So können Kraftsensoren von Baumer auch im Dauerbetrieb bei über 1 Millionen Lastzyklen dynamisch bis zur Nennkraft belastet werden.

Bauformen
Die Baumer Kraftsensoren sind in der Regel als Membran-Federkörper realisiert. Ein entscheidender Vorteil ist deren sehr kleine Baugrösse, sowie die kostengünstige Herstellung. Zusätzlich lassen sich Membran Kraftaufnehmer in der Regel sehr gut hermetisch abdichten und sind somit auch in anspruchsvollen Umgebungen einsetzbar. Weitere mögliche Bauformen, sind beispielsweise S-förmige Federkörper, Zylindrische Federkörper oder Biegebalken.

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DMS - Mechanoelectrical converter

Dehnungsmesstreifen sind das Kernstück von Baumer Kraft- und Dehnungssensoren und dienen der Erfassung von Dehnungen an der Materialoberfläche. Sie bestehen in der Regel aus einer Trägerfolie (Polyimid), einem mäanderförmigen Messgitter aus Konstantan und einer Deckschicht. Die DMS wandeln die mechanische Dehnung in eine elektrische Widerstandsänderung um und wirken als mechanisch-elektrischer Konverter. Die Widerstandsänderung der DMS erfolgt proportional und wird als k-Faktor bezeichnet.
 
Bauformen
Metallische Dehnmessstreifen für den Aufnehmerbau gibt es in diversen Bauformen. Neben den typischen Linear-DMS, sind T-Rosetten-DMS, Rosetten-DMS und Scher-DMS weitere typische Bauformen:
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Wheatstone’sche Brückenschaltung
Die Wheatstone’sche Brückenschaltung ist eine spezielle Verschaltung von elektrischen Widerständen, mit deren Hilfe die genaue Messung elektrischer Widerstandsänderungen möglich ist. Bei der im Sensorbau angewendeten Vollbrückenschaltung werden immer vier DMS in einer bestimmten Anordnung miteinander verschalten. Die Brückenschaltung besteht aus zwei parallel geschalteten Spannungsteilern, die mit einer gemeinsamen Spannungsquelle mit der Brückenspeisung UB versorgt werden.

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Mit Hilfe der Wheatstone’schen Brückenschaltung können kleinste Widerstandsänderungen präzise erfasst werden. Die Änderungen der einzelnen Widerstände führt zu einer Brückenverstimmung UA, die einfach gemessen werden kann. Das Messsignal der Brücke verhält sich dabei ratio-metrisch und ist proportional zur Speisespannung. Das typische Messsignal von DMS Kraftsensoren liegt zwischen 0.4…3.0 mV/V.
 
Temperaturverhalten
Temperaturänderungen während der Messung sind für DMS-basierte Kraftsensoren eine Herausforderung. Eine Temperaturänderungen von 10 °C generiert bei 100 Millimeter Stahl bereits eine absolute Längenänderung von 0.012 mm. Mit der Auswahl eines geeigneten Dehnungsmesstreifens, mit dem entsprechenden Materialausdehnungskoeffizienten, sowie einer intelligenten Verschaltung der DMS nach der Wheatstone’schen Brückenschaltung, lassen sich die durch Temperaturänderungen induzierten Dehnungen vollständig kompensieren.

Brückenverstärker - Electrical Converter

Der Brückenverstärker versorgt die Wheatstone’sche Brücke mit einer stabilen Speisespannung. Das sich daraus ergebende Ausgangssignal der Brücke wird verstärkt und entweder analog (Spannungsausgang/ Stromausgang) oder über eine digitale Schnittstelle (CAN/ IO-Link) ausgegeben. Baumer Brückenverstärker gibt es mit momentan als Spannungsausgang ± 10 VDC und Stromausgang 4…20 mA. 
Mit Hilfe von Brückenverstärkern lassen sich DMS-basierte Kraftsensoren in der Anwendung einfach tarieren und ermöglichen den Kunden so Nullpunktverschiebungen während der Montage zu eliminieren. Ein weiterer Vorteil von Messungen mit Brückenverstärkern ist das sehr gute Rauschverhalten auch bei hochdynamischen Anwendungen.

Physikalische Grundlagen zur Kraftmessung

Was ist Kraft und wie wird sie berechnet?
Die Kraft F mit der Einheit Newton [N] ist das Produkt aus der Masse m in kg eines Körpers und der
Erdbeschleunigung g in m/s2.

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So ergibt sich bei einer Masse von 100 kg eine Kraft von 1'000 N. Als einfache Näherung wird in der Praxis für die Erdbeschleunigung g = 10 m/s2 verwendet.

Was ist Dehnung und wie wird sie berechnet?
Sobald ein Körper mit einer Kraft beaufschlagt wird, erfährt er bei einer Druckkraft eine Stauchung und bei einer Zugkraft eine Dehnung. Diese relative Längenänderung wird als Dehnung ε in [µm/m] beschrieben und ist als Verhältnis einer absoluten Längenänderung Δ l zu einer Gesamtlänge l0 definiert.

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E – Modul
Die erfahrene Dehnung eines Bauteils ist neben der Geometrie und der Kraft auch immer vom Material des Bauteils abhängig. Der entscheidende Kennwert ist das E-Modul (Elastizitätsmodul). Er beschreibt den proportionalen Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung bei der Verformung eines festen Körpers im linear elastischen Bereich. Dabei gilt: je steifer ein Material ist, desto höher ist auch sein E-Modul. Das E-Modul für den im Aufnehmerbau gängigen Edelstahl liegt bei E = 200'000 N/mm2 und für Aluminium bei 70'000 N/mm2.

Von der Kraft zur Dehnung
Jedes mit einer Kraft F belastete Bauteil erfährt, wie bereits vorhin beschrieben, gleichzeitig auch eine bestimmte Dehnung ε. Diese  Dehnung ist immer abhängig vom E-Modul des Werkstoffs E, dem Querschnitt A des Materials sowie der Kraft. Mit Hilfe dieser drei Parameter lässt sich die Dehnung wie folgt berechnen:

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Die entsprechende Bauteilspannung σ berechnet sich wie folgt:
 

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k-Faktor
Der k-Faktor eines DMS beschreibt die Empfindlichkeit des Dehnungsmesstreifens. Er ist der lineare Zusammenhang zwischen der relativen Widerstandsänderung und der Dehnung eines Materials.
 
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Typische k-Faktoren für Dehnungsmesstreifen liegen bei Konstantan Messgittern bei 2.05.

Wheatstone’sche Brückengleichung
Mit Hilfe der Dehnung und des k-Faktors kann abschliessend das zu erwartende Messsignal bei einer Wheatstone’schen Brückengleichung errechnet werden. Bei einem typischen Biegebalken berechnet sich das Messsignal wie folgt:

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Dabei ist zu beachten, dass zwei DMS auf Zug und zwei DMS auf Druck reagieren. Idealerweise ist dabei der Betrag der Dehnungen an allen Messstellen identisch.


Abgrenzung zur Gewichtsmessung

Immer wieder werden Projektleiter oder Entwicklungsingenieure damit beauftragt Gewichtmessungen an Baumaschinen oder ähnlichem durchzuführen. Physikalisch gesehen bestehen keinerlei spezifischen Unterschiede zwischen Kraftsensoren und Wägezellen. Der Unterschied zu geeichten Wägezellen besteht lediglich in der Kalibrierung der Sensoren. Kraftsensoren werden im Gegensatz zu Wägezellen immer auf eine definierte Nominalkraft in N anstatt einem definierten Gewicht in kg abgeglichen. Baumer Sensoren werden als Kraftsensoren abgeglichen und zur Kraftmessung eingesezt.


Normen von Kraftsensoren

Kenngrössen von Kraftsensoren werden in der Richtlinie VDI 2638 definiert. Die Definitionen in der Richtlinie erlauben es, für Kraftsensoren eine einheitliche Sprachregelung zu schaffen, die den Vergleich technischer Daten erlaubt. Weitere Informationen zu den einzelnen Kenngrößen finden sie zudem in unserem Glossar zur Kraftmessung.

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